Wie weiter? Ein alter Schulkamerad hilft
Seniorenfahrzeuge sind eine Marktlücke, die gab es damals noch nicht in der Schweiz
Da stand ich nun mit meinen Plänen für ein Seniorenfahrzeug, auch mit einem möglichen Abnehmer – dem Inhaber eines Sanitätshauses aus Bülach, jedoch ohne Werkstatt. Ich erinnerte mich an einen Schulkameraden aus der Primarschulzeit. Sein Vater hatte eine Stahlbauwerkstatt in Andelfingen. Ich nahm mit ihm Kontakt auf. Wir wurden uns schnell handelseinig und für einen kleinen Unkostenbeitrag durfte ich seine Metallbauwerkstatt mitbenützen. Er selber stand mir mit Rat und Tat zur Seite und so entstand der ganze Stahlbau des ersten Prototypen des CLASSIC. Die Kunststoffteile aus glasfaserverstärktem Epoxidharz fertigte ich in der Garage meines Vaters in Andelfingen, und ja: Er musste sein eigenes Auto immer noch im Freien stehen lassen. Das erste Seniorenfahrzeug wurde montiert und ausführlich getestet.
In dieser Zeit festigte sich auch der Name «CLASSIC» für das im Entstehen begriffene Seniorenfahrzeug. Ich suchte lange nach alternativen – erfolglos. Ich fragte auch alle in meinem Umfeld und sie steuerten Ideen zur Namensgebung bei – jedoch gefiel mir keiner. «CLASSIC» blieb der Name meiner Seniorenfahrzeuge.
Das erste aufgebaute Fahrzeug testete ich ausführlich und anschliessend führte ich die ganze Zulassung und die Typenprüfung durch. Die Tests dauerten länger als erwartet und mein Geld wurde langsam knapp. Ich war nicht mehr in der Lage, das Material einzukaufen, das ich für die erste Serie von 20 Fahrzeugen benötigte. Die Fahrzeuge hatte ich ja bereits dem Chef des Sanitätshauses versprochen. Meine Eltern halfen mir finanziell aus: ich bekam einen Erbvorbezug und konnte beginnen, die fehlenden Teile einzukaufen. So bestellte ich beim Metallbauer die ganzen Chassis, begann Kleinteile zu kaufen, fertigte Kunststoffteile und begann nebenher, die ersten Fahrzeuge zu fertigen. Die Seniorenfahrzeuge waren bedeutend weniger interessant als mein Cheetah, jedoch kamen immer noch ab und zu Schüler, die mir bei kleineren Arbeiten aushalfen. Aus der Elektromobilszene kannte ich einige Enthusiasten. Mit Ulrich Dörr freundete ich mich an und da er nach seinem Studium noch keinen Job hatte, half er mir regelmässig beim Aufbau. Er war ein wirklich guter Mechaniker und ein begabter Maschinenbauingenieur und wir brachten das Projekt gemeinsam weiter. Der grosse Tag kam: Voller Stolz präsentierte ich mein erstes Fahrzeug inklusive Zulassung dem Sanitätshausbesitzer und seinem Mitarbeiter Cornell Eggenschwiler. Cornell war begeistert, der Sanitätshausbesitzer etwas zurückhaltend. Ja, das sehe ganz gut aus und er werde das verkaufen können. Erst jedoch müsse das Fahrzeug ausführlich getestet werden. Er kaufe nicht deren 20 Fahrzeuge, er kaufe mal eines und das solle Cornell ordentlich in die Mange nehmen. Ausserdem müssen noch Prospekte gedruckt werden. Er erwarte, dass ich mich an den Kosten beteilige.
Das war zu viel für mich. Ich war schon an der Grenze, hatte meinen Erbvorbezug ins Material investiert, die Chassis waren bestellt und die ganzen Einzelteile begannen, die Garage zu füllen. Enttäuscht und mit hängenden Ohren zog ich ab. Zu Hause folgte die nächste Überraschung: Der Stahlbauer wollte nachverhandeln: Er habe sich verkalkuliert und die Chassis werden teurer. Dazu war die Fertigungsqualität nicht so, wie gewünscht und Uli Dörr und ich mussten einiges nacharbeiten. Mein Geld drohte erneut knapp zu werden und Bestellungen hatte ich keine. Zu allem Überfluss begann sich meine Haut zu schuppen: In meiner Kindheit hatte ich mit Neurodermitis zu kämpfen. Wie sich herausstellte, kam durch die viele Arbeit mit Epoxidharz diese Krankheit zurück. Über mehrere Jahre hatte ich ein gutes Wissen in GFK- und CFK-Verarbeitung aufgebaut. Ich hatte viele Bücher gelesen und Bearbeitungstechniken erlernt. Die Produkte wurden ganz gut – nur auf meine Gesundheit hatte ich überhaupt nicht geachtet. Ich verarbeitete die Glasmatten mit blossen Händen, strich das Epoxidharz mit meinen Fingern glatt und wusch meine Hände anschliessend mit Aceton. Ich arbeitete in einer Tiefgarage ohne ausreichende Belüftung, kurz: Ich machte alles falsch, was falsch zu machen war. Rat suchte ich bei Kunststoffexperten und die klärten mich auf. Jedoch zu spät: ich hatte eine Epoxidharz-Allergie entwickelt und konnte mit dem Material keinen Tag mehr weiterarbeiten.
In der Situation wollte Uli ein ernstes Wort mit mir sprechen: Er klärte mich auf, dass ich zur Zeit in der Garage meiner Eltern noch keine Miete zahlen würde, auch Telefon und Papier wurde gestellt. Den Rechner hatte ich von meiner Zeit als Entwickler, der auch eines Tages erneuert werden müsse. Kurz und gut: Er glaube wirklich nicht daran, dass ich mit meinem Projekt Erfolg haben werde. Die CHF 6'000.- Franken Verkaufspreis würden nicht annähernd die vollen Kosten decken. Recht hatte Uli, aber konnte ich das zugeben? Mein ganzer Erbvorbezug war aufgebraucht. Was sollten die nächsten Schritte sein? Ich stand in der Ecke und wusste nicht, wie weiter…
Ich lernte dabei:
- Es kann ganz schön bitter enden, wenn alles auf eine Karte gesetzt wird
- Völlig unklug ist es, alles über die Verarbeitung von einem Material zu lesen, jedoch nichts darüber, wie man sich schützt.
- Pläne können sich in Luft auflösen.