Von Kassel bis nach Berlin
Cheetah wird fit gemacht
Zu Hause untersuchte ich das ganze Fahrzeug eingehend. Die Schwachstellen im Antriebsbereich wurden behoben. Das Ladegerät repariert, das grösste Problem lag im Batteriebereich. Die ganzen 3000 Zellen hatte ich in eine grosse, selbstgebaute Halterung geschoben. Mit Federn wurde Druck aufgebaut, um die Zellen zusammen zu drücken. Zwischen die Batteriepole strich ich eine Kontaktpaste, bestehend aus Kupferpulver und Fett. Die Vibration hatte nun eben dieses Kupferpulver von den Polen weg vibriert und zurück blieb das schlecht leitende Fett. Somit war der sich ständig erhöhende Energieverbrauch geklärt. Wie sollte ich die einzelnen Batteriezellen verbinden? Nach mehrfachem Experimentieren baute ich mir eine Vorrichtung, um die ganzen Zellen mit speziellem Lot und Flussmittel zusammenzulöten. Die ganze Überarbeitung der Batteriepakete dauerte mehrere Wochen. Bei dieser Überarbeitung half mir, wie bei der Bereitstellung auf die Tour de Sol, die Familie Val.
Vorbereitung auf das nächste Rennen: Kassel Berlin
In den nächsten Monaten stand eine intensive Überarbeitung und viele Testfahrten von Cheetah an. Ich hatte mich für das nächste Rennen angemeldet, welches im Herbst 92 stattfinden würde: Das Rennen führte von Kassel durch die Ex-DDR nach Berlin. Erst zwei Jahre zuvor war die BRD und die DDR wiedervereinigt worden. Ich kannte Berlin aus der Zeit der Trennung und hatte da mehrmals Ferien gemacht. Dabei war ich auch kurz in der DDR. Die innerdeutsche Grenze war schon sehr furchteinflössend gewesen. Die DDR – Wachpersonen mit ihren Helmen, Waffen und ihren strengen und bohrenden Blicken. Der Stacheldraht, die Wachhunde: wehe, wenn sie losgelassen würden. Der direkt einsehbar verminte Bereich und vor allem die Gedenktafeln für alle Personen, die bei der Flucht getötet wurden. All das lag nur wenige Jahre zurück. Bei dem Rennen sollte ich die Gelegenheit haben, eben durch diese gut gesicherte Gegend zu fahren und bei der Durchfahrt die ehemalige DDR kurz nach der Wende zu sehen.
Dieses Mal wollte ich selbst mit Cheetah fahren. Tina war die Fahrerin im Begleitfahrzeug. Wir hatten zu diesem Zweck bei unserem Kleinwagen eine Anhängerkupplung montieren lassen und einen Anhänger gemietet.
Ich war gut gerüstet und Cheetah lief absolut problemlos, was mir auch den ersten Schlussrang zutrug.
Unvergesslich waren für mich die Fahrten mit dem Elektroauto durch die weiten Landstriche und die Dörfer, die aus einer anderen Zeit schienen. Viel war noch sehr urban. Viele Gebäude verfallen, die Strassen in schlechtem Zustand. Speziell war ein Erlebnis in Magdeburg. Wir waren am Laden unserer Fahrzeuge. Eine ältere Frau, sehr merkwürdig gekleidet kam auf mich zu. Sie wollte wissen, ob das jetzt ein Auto sei. Ich bejahte. Sie fragte nach: «Ein Auto für eine Person?» Ich bejahte erneut. Sie bemerkte erstaunt: «Ach so sehen die Autos aus dem Westen heute aus?» Sie wohne auf dem Land und sei heute in die Stadt gekommen, um zu sehen, wie eine Stadt ausschaue. Was es heute für tolle Autos gäbe, das sei unglaublich. Sie hatte viel an Geschichte erlebt. Die Wiedervereinigung musste für sie schon ein grosses Wunder gewesen sein, so glaubte sie auch, dass Autos aus dem Westen wie Cheetah aussehen.
Bei unserer Schlussetappe in Berlin durften wir als erste Fahrzeuge überhaupt unter Polizeibegleitung im Corso durch das Brandenburger Tor fahren. Wenige Jahre zuvor hatte ich von Westen her die Mauer gesehen, die vor dem Tor durch ging und den ganzen Stacheldraht. Nie hätte ich auch nur davon träumen können, als eines der ersten Fahrzeuge mit meinem selbst gebauten Elektromobil durch dieses zugemauerte, mit Stacheldraht versehene Tor zu fahren.
Gelernt hatte ich dabei:
- Cheetah läuft und ist richtig gut. Es macht Spass, damit zu fahren
- Projekte sind erst fertig, wenn sie eine eingehende Testphase unbeschadet überstanden haben.
- Das richtige Leben schreibt Geschichten, die jede Fernsehserie übertreffen.