Sponsoren und Strassenzulassung
Cheetah wird für die Teilnahme der Tour de Sol vorbereitet
Durch den Salon Genf hatte ich sehr viele Kontakte bekommen. Viele Komplimente, viele Berichte, viele Anfragen und viele Adressen. Ich und das ganze Team waren sehr motiviert – und diese Motivation brauchten wir auch. Es war noch sehr viel zu tun bis Cheetah seine ersten Meter fahren würde und wir hatten nur noch ca. 3 Monate Zeit bis zur Tour de Sol, für die ich uns angemeldet hatte. Ausserdem fehlte zu dem Zeitpunkt noch die Finanzierung für die weiteren Arbeiten…
Sponsorschaft hilft mir bei der Finanzierung
Unerwartet klingelt das Telefon, und die Marketingabteilung eines Softwarehändlers war am Apparat: Der Geschäftsführer der Firma Infographics hatte mich in Genf besucht. Er war begeistert von mir und meinem Fahrzeug und wollte mir einen Sponsorenvertrag in der Höhe von 30'000 CHF anbieten, wenn ich seine Werbung auf den Cheetah klebe und an der Tour de Sol teilnehme. Ich war recht verwundert, konnte aber das Geld sehr gut gebrauchen: Nur so liessen sich die ganzen Komponenten, die zur Fertigstellung von Cheetah erforderlich waren, auch einkaufen. Innert weniger Minuten wurden wir uns handelseinig, der Vertragsentwurf wurde ausgearbeitet und zu meiner absoluten Verblüffung wurde mir auch noch eine Auto-CAD Software zur Verfügung gestellt, die mir die weitere Konstruktion von Cheetah erleichterte. Ich hielt mich für sehr privilegiert und war endlich in der Lage, Cheetah mit Hilfe einer professionellen Software weiter zu bearbeiten. Zu allem Überfluss hatte ich genügend Geld. Statt der mittelguten Bleibatterie konnte ich die damalige Wunschbatterie bestehend aus 3000 NiCd Zellen einkaufen. Alleine diese Zellen hatten mich ca. 20'000 CHF gekostet, womit das Sponsorengeld schon beinahe wieder aufgebraucht war. Auf meiner Wunschliste waren noch Asynchronmotoren, Asynchronsteuerung von BRUSA, Bedienungseinheiten, Kabel, Ladegerät, Übersetzung in Form von Zahnrädern und Ketten, Wellen, Lager, Lichter, Bremsanlage, verschiedene Kleinteile. Auf diese Art war neben dem restlichen Sponsorengeld auch meine ganzen Ersparnisse aus meiner Tätigkeit als Elektroingeneur verdunstet. Es gab nur noch einen Weg: Ich musste an der Tour de Sol teilnehmen können, um auch die Verpflichtungen meines Sponsorpartners erfüllen zu können.
Job oder Cheetah?
Die Arbeiten an Cheetah wurden derart intensiv – ich konnte meinen Job als Entwicklungsingenieur bei der Firma Rieter und mein Hobby einfach nicht mehr zufriedenstellend bewältigen. Ich musste mich entscheiden. Die Entscheidung wurde mir dadurch abgenommen, dass ich in meinem Job nicht besonders erfüllt war. Viele Regeln, viele Sitzungen, viele Diskussionen, die aus meiner Sicht als Entwickler nicht zielführend und schon gar nicht konstruktiv waren. Zu Hause wartete die Arbeit an meinem Fahrzeug, für die ich brannte. Ich setzte alles auf eine Karte und verabschiedete mich aus meinem Job bei Rieter mit dem Statement, ich wolle zukünftig Elektrofahrzeuge entwickeln. Die fragenden Gesichter meiner Arbeitskollegen sprachen Bände.
Unerwartete Hilfe aus der Schule
Die Komponenten waren organisiert, jedoch war bis zum Start des Rennens noch mehr zu tun als ich und mein kleines Team, bestehend aus Gerd Gschliesser und Christian Ent bewerkstelligen konnten. Mein Vater war Lehrer an der Sekundarschule und ohne mein Wissen fragte er seine Schüler, ob jemand Interesse hätte, mir beim Bau des Elektrofahrzeuges zu helfen. Da mein Elternhaus unmittelbar neben der Schule war, kamen immer öfters in der Morgen- oder der Mittagspause einige Schüler vorbei und beobachteten aus sicherer Entfernung das Geschehen. Das Vertrauen wuchs, einige Schüler kamen näher und fragten, ob sie mitarbeiten dürften. Hilfe war willkommen und als erstes fragte ich die Schüler, ob sie für mich die ganzen Schrauben in die verschiedenen Gläser und Behälter sortieren würden, die in der Garage zu finden waren. Emsig gingen die Schüler ans Werk, wobei ich nach der Sortieraktion mehr Zeit aufwenden musste, um die wirklich passenden Schrauben zu finden als vorher. Was aber der grosse Gewinn für mich war: ich konnte sehen, welcher Schüler sich wie gut in die Aufgabe schickte und der Schraubensortiertest sollte noch einige Male zur Anwendung kommen, wenn ich weitere Helfer oder auch später meine ersten Mittarbeiter rekrutierte. Pierre-Ives Val tat sich besonders hervor. Von dem Zeitpunkt aus kam er regelmässig vorbei. Er hatte jüngere Brüder: Jean Daniel, Denis und Jean Mark, die ebenfalls vorbeischauten und bald zum Team gehörten. Ihr Vater schaute vorbei – neugierig geworden von den Erzählungen seiner Kinder. Er war gelernter Elektriker und sehr erfahren. Genau seine Fähigkeiten fehlten uns damals und André Val war sehr willkommen in unserem Team. Wurden wir einmal nicht durch meine Familie mit Verpflegung und Getränke versorgt, so schaute Andrés Frau vorbei, um ihre Familie und uns zu versorgen. Das Team um Cheetah war komplett.
Trotzdem wurde die Zeit immer knapper. Die Strassenzulassung war unentbehrlich, um Cheetah offiziell auf der Strasse bewegen zu können. Ohne die Zulassung war es auch nicht möglich, am Rennen teilzunehmen.
Strassenzulassung in letzter Sekunde
Ein erster Termin etwa 1 Monat vor dem Start-Termin der Tour de Sol musste verschoben werden. Zwei Wochen vor Rennbeginn war Cheetah immer noch nicht fahrbereit und der einzige verfügbare Termin war an einem Donnerstagmorgen, 2 Tage vor Rennbeginn. Ich, Gerd, meine Familie und die Familie Val arbeiteten die Wochenenden durch. Die Termine rückten näher und Cheetah hatte sich immer noch nicht bewegt. Die Nervosität stieg. Am Vorabend vor dem Vorführtermin drehten sich die Motoren das erste Mal – leider in die falsche Richtung. Wir kamen der Lösung nicht auf die Spur. Mein umfangreiches Testfahrprogramm, das ich vor dem eigentlichen Zulassungstermin absolvieren wollte, wurde immer weiter zusammengestrichen. Testen hatte auch nicht wirklich Sinn. Die Motoren drehten sich nicht ruck frei und in den Carbonbauteilen von Cheetah liessen sich überall undefinierte Spannungen messen, die einen sicheren Betrieb des Fahrzeuges nicht in Aussicht stellten.
Am Mittwochabend hatte André mit der ganzen Familie eine unverschiebbare private Feier, deren Organisator André war. Es tat ihm schrecklich leid, aber gegen 19.00 Uhr musste sich die ganze Familie Val als Helfer verabschieden. Ich und Gerd suchten weiter, wir kamen dem Fehler nicht auf die Spur. Das Projekt schien aussichtslos.
Völlig unerwartet und überrascht war ich, als André und seine ganze Familie um ca. 22.00 Uhr nach ihrer Feier wieder im Eingang des Garagentors standen. Mit geballtem Fachwissen wurde gemeinsam die ganze elektrische Anlage nochmals demontiert und neu aufgebaut. Gegen Morgengrauen drehten sich die Räder in die korrekte Richtung, die gefährlichen Spannungspotentiale waren verschwunden und es musste nur noch sehr viel Detailarbeit geleistet werden, um Cheetah richtig zusammen zu bauen. Ich hatte mein Team zur Eile gedrängt mit der Begründung, ich wolle wenigstens noch die Fahrt von Andelfingen nach Winterthur zum Strassenverkehrsamt als Testfahrt nutzen – vergebens. Alle Mittglieder im Team taten schon alles, was sie konnten und die Zeit wurde knapper. Christian Ent organisierte von einem befreundeten Garagisten einen Autotransporter. Am Morgen war Cheetah fertig zusammengesetzt und wurde vorsichtig auf den Transporter geschoben. André und seine Familie verabschiedeten sich völlig übermüdet und durften erst einmal ausschlafen. Christian, Gerd und ich fuhren mit dem Transporter zum Strassenverkehrsamt und luden Cheetah ab. Nur: Der Transporter musste zurück und Christian und Gerd, ebenso übermüdet verabschiedeten sich.
So war ich dann alleine mit Cheetah unmittelbar vor dem Vorführtermin. Meine ausführlich geplante Testfahrt reduzierte sich darauf, im Schrittempo vom Parkplatz in die Halle zu fahren, mein zuständiger Experte wartete schon.
Cheetah fährt zum ersten Mal
Mein Experte begrüsste mich freudig: Er kenne Cheetah schon aus der Presse und freute sich schon sehr auf den Test. Zuerst suchten wir die Chassisnummer, das Typenschild und massen zusammen die technischen Daten durch. Dieser Teil ging gut durch. Jetzt war die Testfahrt an der Reihe: Der Experte setzte sich hinein, liess sich all die Bedienungselemente erklären und wollte zur Abnahmefahrt ansetzen. Ich versuchte ihm zu erklären, er solle die Tests mit einer gewissen Vorsicht angehen. Verdutzt fragte er, weshalb denn…? Ich versuchte ihm zu erklären, dass aufgrund der fehlenden Zulassung das Testprogramm noch nicht vollumfänglich durchlaufen war. Er fragte nur: Fährt das Fahrzeug jetzt oder nicht…? Ich meinte, theoretisch sei die Frage zu bejahen, jedoch in der Praxis… Er doppelte nach: Ja oder nein…? Also: Ja!!!
Und ehe ich noch ein weiteres Wort herausbrachte, trat der Experte das Gaspedal durch und mit einer beängstigend hohen Beschleunigung stob er mit Cheetah davon und verschwand hinter dem Abnahmegebäude. Für unendlich lange Minuten hörte und sah ich nichts mehr. Hinter dem Haus war der Testkreis, um die Lenkung und das Fahrverhalten zu überprüfen.
Ich wollte mich auf den Weg begeben, um nachzusehen, weshalb ich vom Experten und von Cheetah nichts mehr hörte oder sah. Meine Gedanken suchten schon nach möglichen Erklärungen. Unendlich, was in dem Moment alles schief gelaufen sein konnte. Da kamen Cheetah und der Experte um die Hausecke auf die Gerade und zu meinem Schrecken beschleunigte er auf die volle Geschwindigkeit. Mit breitem Grinsen schoss er an mir vorbei Richtung Ende des Testgeländes und wollte einfach nicht langsamer werden. Im letzten Moment trat er voll in die Bremsen, die Bremszangen griffen und mit 3 blockierenden Räder stob er über den Asphalt, um kurz vor der Mauer stehen zu bleiben. Immer noch breit grinsend fuhr er zu mir zurück und gratulierte zur Performance von Cheetah. Er stellte mir die Dokumente aus, um die Versicherungsnummer auszufassen, wünschte mir für das bevorstehende Rennen viel Glück und versicherte, er würde die ganzen Zeitungsartikel über das Rennen verfolgen, um zu sehen, wie ich abschneide.
Cheetah ist zugelassen – die Anstrengung hat sich gelohnt
Und so stieg ich das erste Mal selber in mein Fahrzeug. Meine Testfahrt führte mich vom Strassenverkehrsamt in Winterthur über die Austobahn um Winterthur herum 11km zurück nach Andelfingen in die Garage, in der Cheetah entstanden ist. Auf der Fahrt wurde ich überwältigt von Emotionen. Tränen der Freude und der Erleichterung liefen mir runter. Cheetah fuhr, und wie! Von aussen war er leise. Von innen nicht. Die beiden hochdrehenden Motoren entwickelten einen satten Pfeifton, der an eine Turbine erinnerte. Die selbsttragende Karosserie, hart verbunden mit dem Fahrwerk, wirkte als Resonanzkörper und verstärkte den Ton. Für mich war das in dem Moment der schönste Ton der Welt. Das Handling von Cheetah war gut, die Beschleunigung für damalige Verhältnisse beeindruckend. Die Lenkung recht präzise. Die Bremse brauchte unerwartet viel Krafteinsatz, arbeitete aber zuverlässig. Auf Anhieb schien uns ein ganz gutes Fahrzeug geglückt zu sein. Auf der Fahrt ging nochmals der ganze Film an mir vorüber: Die ersten technischen Versuche mit Fahrzeugen, der Bau der Urform, die Entwicklung des Umrichters, der leider nicht zufriedenstellend funktionierte, der Fertigbau auf den Salon in Genf hin, die ganzen Reaktionen, danach der Fertigbau, der Sponsorenvertrag, der Kauf der edlen Komponenten, der Zeitdruck, die Probleme, die unlösbar schienen, die Hilfe durch die Familie Val, der ich auch heute noch zu Dank verpflichtet bin, das Durcharbeiten über die Nacht, die Zulassung und nun meine erste erfolgreiche Fahrt mit meinem selbst gebauten Auto.